Reiten mit der Dalton Gang

Wer sich von seinem Ranch-Aufenthalt irgendwelche Annehmlichkeiten erwartet, z. B. eine gepflegte Unterkunft, immer zur rechten Zeit eine warme Dusche oder gar ein Gourmet-Mahl, vielleicht gar Abendunterhaltung in irgendeiner Form, der sollte hier besser nicht hergehen.

Die Dalton-Ranch ist etwas für Leute, die am richtigen, echten Rancher- und Cowboyleben interessiert sind und sich dafür nicht scheuen, in ihrem Urlaub eher mal so manche Unannehmlichkeit in Kauf zu nehmen und die - nicht zu vergessen - dafür auch noch ganz schön tief in die Tasche zu greifen haben.

Nach Monticello in Utah muß man fahren, um zur Dalton-Ranch zu gelangen. Es handelt sich dabei um ein Unternehmen, das ausschließlich von Val und Aleta Dalton und deren Kinder Zeb, Zecke und Kelly bewirtschaftet wird.
Insgesamt haben die Daltons 7 Kinder, für eine gestandene Mormonenfamilie ist das aber ganz normal. Die Ranch umfaßt ca. 2000.000 Acres in dem Gebiet der Blue Mountains zwischen dem Canyonlands-Nationalpark und dem Colorado und liegt zwischen 1500 und 3500 Metern Höhe.

10. 9.
Am späten Abend komme ich müde in Monticello an. Ich bin Helmut aus Weiterstadt bei Darmstadt in Südhessen, Pferdenarr und Besitzer einer traumhaften Quarter Horse - Stute mit Reining - Turniererfolgen und nach meiner Meinung reit-erfahren genug, um auf die allererste Frage, die mir Aleta Dalton im ersten Kontaktgespräch stellte: 'are you an experienced rider?' mit einem überzeugenden 'yes' zu antworten.

Bevor ich im reservierten Motel in die Kissen falle, schnell noch ein Anruf auf der Ranch - Ja, morgens um 7 wirst du abgeholt, gefrühstückt wird auf der Ranch. Vorsichtshalber stelle ich den Wecker, falls Val Dalton seine Drohung ernst gemeint haben sollte.

11. 9.
Punkt 7 Uhr steuert ein Cowboy seinen Pickup gnadenlos in meine Richtung. Es ist Val, der mich gleich zur Ranch bringt. Begrüßt hat er mich mit 'good afternoon', denn 7 Uhr ist für Val eben spät am Tag. Aber heute ist halt ein Ausnahmetag - aber nur heute.
Nach einem sehr guten Frühstück mit überragenden Pfannkuchen und erstem Beschnuppern, kommt der Chef gleich zur Sache: Von einem Außenposten der Ranch beginnend, müssen auf deren weiträumigen Weiden, Rinder aufgespürt werden, die bis zum Abend in einer Einzäunung sein müssen, damit sie am nächsten Tag auf die 3300 Meter hoch gelegene Herbstweide getrieben werden können.
Nach dem Zuteilen der Perde, die Ranch verfügt über eine Menge erfahrener Ranchpferde, die für die Arbeit mit Rindern trainiert sind, geht es in die Berge, wo die Rinder völlig frei und halbwild herumlaufen. Aufgespürt werden die Rinder durch Vals Hunde, die darauf spezialisiert sind, Rinder in jedem Gelände zu entdecken.
Im Prinzip braucht man dann nur noch hinzureiten und die gefundenen Kühe zum Sammelplatz zu treiben, von wo aus sie dann, sozusagen als Krönung des Tages, in den weiter unten im Tal liegenden Pferch getrieben werden. Innerhalb kürzester Zeit kapiere ich eine Menge Dinge:

1. Weshalb Aleta Dalton die Frage nach dem geübten Reiter so wichtig war

Wenn ein erfahrenes Cowhorse hinter einer Kuh her ist, nimmt es keine Rücksicht auf einen deutschen Hobby-Cowboy, der zu Hause auf gepflegten Reitpfaden seine Erfahrungen gesammelt hat. Das Pferd fragt auch nicht, ob man schon einmal ohne zu zögern in eine Wand aus trockenem, dornigen Geäst geritten ist und ob man eventuell Vorbehalte dagegen hat, in schnellem Trab oder gar Galopp, hackenschlagend einen Bergpfad hinter einer Kuh hinunter zu fegen. Und dann muß man natürlich noch wissen, daß man täglich 8 Stunden im Sattel zu sitzen hat - dies ist selbst für einen geübten Reiter gewöhnungsbedürftig.

2. Weshalb braucht der Cowboy Chaps und solide Lederhandschuhe, die in Deutschland eher für die kalten Tage ihren Sinn zu haben scheinen

Innerhalb kürzester Zeit waren meine schönen, meine gepflegten gutaussehenden Maßchaps schrecklich zerkratzt und meine hochgekrempelten Ärmel habe ich schnell nach unten gerollt und fest zugeknöpft, damit meine Haut einigermaßen geschützt war. Zum Glück hatte ich trotz der Hitze meine Handschuhe an, sonst wären meine Büro-Hände blitzartig als Reklame für Halloween einsetzbar gewesen.

3. Weshalb braucht der Cowboy einen guten Stiefel

Weil ein Stiefel der schlechten Qualität sehr schnell durch die Dornen und scharfkantigen Geäste in seine Bestandteile zerkratzt werden würde. Mein handgefertigter, funkelnagelneuer Stiefel aus Maultier-Leder sah nach einem Tag lediglich aus, als sei er 20 Jahre alt.

4. Warum haben die Westernreiter geteilte Zügel, die 'Split Reins'

Nein, nicht damit Sie sich - wie in Deutschland - von den Dressurreitern unterscheiden. Geteilte Zügel sind schlichtweg ein Sicherheits-Faktor, weil man mit geschlossenen Zügeln sehr schnell im Geäst hängen bleiben würde. Die Kuh ist dann entschwunden und das Pferd und der Reiter können sich dabei erheblich verletzen.

5.- Weshalb tragen so viele Cowboys große Hüte, die eher wie Schlapphüte aussehen

Probieren Sie mal auf dem Pferderücken mit einem Hut mit nach oben gebogener Krempe durch die Büsche zu brechen. Wahrscheinlich werden Sie schneller, als Ihnen lieb ist, Ihren teueren Hut verlieren und sich dafür Ihre Ohren ramponieren. Aber da ich natürlich bestens vorbereitet war, habe ich den ersten Tag gut überstanden und war der Meinung, beim Sammeln von etwa 50 Rindern mitgeholfen zu haben.

12. 9.
Um 5 Uhr in der Frühe wird die Stille der Nacht durch wildes Geheul unterbrochen Ich stürze aus dem alten, rustikalen Bunkhouse, in dem ich untergebracht bin, ein Unglück ahnend. Es ist aber nur Val, der die Pferde ruft, die sich irgendwo auf den weitläufigen Weiden der Ranch herumtreiben. Und die kommen natürlich, um sich ihre morgendliche Futterration abzuholen. Val meinte aber leider mit seinem Geheul auch mich, denn als ich um 5.45 Uhr zum Frühstück erscheine, begrüßt er mich wieder mit 'good afternoon'. Heute werden die Rinder eine Strecke von 12 Meilen bis auf 3300 Meter Höhe zur Herbst-Bergweide getrieben. Nach 6 Stunden Treiben auf teilweise schwierigen, steilen, zerklüfteten und serpentinenartigen Bergtrails und einem immer schwächer werdenden Stimmband, das von dem vielen 'yoho' und 'get' oder in der Langfassung 'get out of here' etwas strapaziert war, habe ich gelernt, daß fromme Mormonen durchaus auch fluchen können. Val brüllte nämlich manchmal 'to hell, get out of here'. Und dann sind wir noch 2 Stunden den steilen Berg runter, zurück geritten.

13. 9.
Heute hat Val einen Schontag eingelegt, denn es sollen lediglich Zäune kontrolliert werden. Also geht es später los - um 6 Uhr Wecken, um 8 Uhr Abmarsch. Von einem weiteren Außenposten der Ranch ausgehend, reiten wir durch einen traumhaft schönen Canyon am Rande des Canyonlands-Nationalparks und ich lerne einen weiteren Vorteil kennen, den geübte Ranch-Pferde haben. Sie sind selbst in schwierigstem Gelände sehr trittsicher und scheinen klettern zu können.

14.9.
An diesen beiden Tagen wird die Rindersammelaktion und das Treiben auf die 15.9. Bergweide erneut betrieben. Diesmal finden wir weitere 70 Rinder, die wir letztlich abfertigen.
Val erzählt, daß noch weitere 70 Rinder gefunden werden müssen, damit diese auf den saftigen Herbstweiden überleben können. Jede weiter Suchaktion wird aber schwieriger werden und länger dauern, denn das Land ist wild und eben sehr groß und da greift schnell der Spruch von der Nadel im Heuhaufen.
Für mich aber heißt es Abschied nehmen von einem Ort, an dem ich von wirklich netten Menschen und treuen Tieren eine Menge gelernt habe.
Obwohl der Chef meine Leistungen nicht ausdrücklich gelobt hat, denke ich doch, daß er mich in angenehmer Erinnerung behalten wird, denn immerhin bin ich nicht vom Pferd gefallen und es gab auch ein paar Rinder, die mich ernst zu nehmen schienen.

Und obwohl mir diese Woche auf der Dalton-Ranch sehr viel neue Eindrücke und Erfahrungen gebracht hat, habe ich beschlossen, das nächste Mal meinen Urlaub auf einer schönen Gästeranch zu verbringen. Auf einer Ranch mit allem Komfort, mit schönen Duschen, einem abendlichen Gourmet-Mahl, der kleinen Annehmlichkeit eines schon aufgebauten Barbecues zur Mittagspause eines gepflegten Tagesrittes und ähnliche schöne Dinge mehr.
Ich jedenfalls habe die Erkenntnis gewonnen, daß der 'Duft von Freiheit und Abenteuer', mit dem die Werbung jener Zigarettenmarke so viel Erfolg hat, in Wirklichkeit garnicht so abenteuerlich ist und freiheitlich schon garnicht.


PS: Fotos sind in Arbeit!


[ zurück ]


© Midnight Special WebDesign


Datenschutzerklärung